Thomas Feltes
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Viktimisierung, Verbrechensfurcht, Sicherheitsgefühl, Bewertung von Polizeiarbeit, Dunkelfeld ("Bochum IV") (2018)
 

Fundierte Erkenntnisse über Kriminalität und Sicherheitsgefühl der Bürger sind für politische Entscheidungen ebenso wichtig wie für polizeiliches Handeln. Dennoch wird in Deutschland, ebenso wie in vielen anderen Ländern, die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) seit Jahrzehnten als wichtigste und oftmals alleinige Datenbasis zur Identifizierung von kriminalpolitischen Problemen und kriminalpräventiven Maßnahmen herangezogen. Dabei erfasst diese Statistik, von anderen Beschränkungen und Mängeln wie Fehlerfassungen und Manipulationen abgesehen, nur das Hellfeld, also jene Straftaten, die der Polizei bekannt werden. Dunkelfeldstudien helfen, diese Lücke zu schließen, indem sie ein umfassenderes Bild der Kriminalitätslage zeichnen.

Die Bochumer Dunkelfeldstudie 2015/16 („Bochum IV“) setzt eine Reihe von Untersuchungen fort, die Kriminalitätsentwicklung, Anzeigeverhalten, Kriminalitätsfurcht und Ansehen der Polizei am Beispiel einer deutschen Großstadt beleuchten. 

Die Ergebnisse der aktuellen Studie konnten auf Grund von teilweise unterschiedlichen Items und Variablen sowie in Ermangelung einer verfügbaren umfassenden deskriptiv-statistischen Grundauswertung insbesondere in den Untersuchungen Bochum I und II nur bedingt mit diesen Untersuchungen verglichen werden.

Die Studie wurde als Online-Bevölkerungsumfrage  Mitte 2016 durchgeführt und finanziert vom Lehrstuhl für Kriminologie und Polizeiwissenschaft der RUB, nachdem das Bundeskriminalamt eine Förderung mit der Begründung abgelehnt hatte, dass man sich auf europaweite Befragungen konzentrieren müsse. Für uns unverständlich, denn für kriminalpräventive Maßnahmen sind die konkreten Ergebnisse vor Ort maßgeblich, wie kriminologische Studien der vergangenen Jahre immer wieder gezeigt haben. Je kleinräumiger die Analysen durchgeführt werden, umso besser und zielgenauer sind die Ergebnisse. Die Auswertung erfolgt u.a. im Rahmen der Dissertation von Jan-Volker Schwind (2018, s.u.) sowie in weiteren Beiträgen (s.u.).

Von den face-to-face-Befragungen der früheren Untersuchungen wurde aus finanziellen Gründen Abstand genommen. Für die Umfrage wurde, wie schon in den vorherigen Untersuchungen, eine Zufallsstichprobe von 0,5 % der Bochumer Bevölkerung ab 14 Jahren aus der Einwohnermeldekartei gezogen. Insgesamt wurden 3.500 Bürger postalisch angeschrieben. Mithilfe einer dem Anschreiben beigefügten individuellen Transaktionsnummer (TAN) hatten die Befragten Zugang zu einem Online-Fragebogen. Wegen möglicher Nachfragen wurde zusätzlich eine kostenlose Telefonhotline eingerichtet. Drei Wochen nach dem Versand des Anschreibens wurde ein Erinnerungsschreiben an (aus Datenschutzgründen) alle Probanden der Bruttostichprobe verschickt. Sämtliche Daten wurden anonym auf der Grundlage eines Datenschutzkonzeptes erhoben. Insgesamt konnten 732 Fragebögen ausgewertet werden. Wegen der zugesicherten Anonymität blieb die Verweigerer-Quote unbekannt. Zieht man daher die Verweigerungsquote der Bochum III-Studie als Anhaltspunkt heran, kommt man auf eine Rücklaufquote auf 24,2 % (netto) Ein direkter Vergleich mit den (hohen) Rücklaufquoten der vorausgegangenen Untersuchungen (Bochum I bis III) ist wegen der abweichenden Methodik im Feldzugang nicht möglich. Anhand von Vergleichsdaten des Bochumer Einwohnermeldeamtes wurden die Merkmale Alter, Geschlecht, Nationalität und Bildungsstand verglichen. Danach kann die Repräsentativität hinsichtlich der Geschlechts-, Alters- und Bildungsstruktur bejaht werden, nicht aber bezüglich der Staatsangehörigkeit. Dabei wurden Informationen zu einem möglichen Migrationshintergrund der Befragten bewusst nicht erhoben, zum einen, weil die Komplexität der für verwertbare Aussagen notwendigen Informationen den Umfang des Fragebogens gesprengt hätte, zum anderen, weil eine entsprechende Auswertung der Daten auch in Anbetracht des erwarteten niedrigen Rücklaufs problematisch gewesen wäreDa Viktimisierung generell ein eher seltenes Ereignis ist (zumindest in Bezug auf schwerere Straftaten), hätten die entsprechenden Angaben quantitativ nicht ausgereicht, um daraus entsprechende Aussagen abzuleiten. Hinzu kommt, dass die Frage, wie man „Migration“ definiert, umstritten ist, vor allem auch in der Abgrenzung zu Flüchtlingen und Asylbewerbern. Dies hätte umfangreiche Erklärungen und Abgrenzungen im Fragebogen notwendig gemacht, die den Rahmen gesprengt hätten..Die Informationen über das Hell- und Dunkelfeld beziehen sich rückblickend auf das Jahr 2015, die Angaben zur Kriminalitätsfurcht und zum Ansehen der Polizei auf das Befragungsjahr 2016.

Veröffentlichungen im Kontext der Studie
 
Thomas Feltes: Es ist "viel besser, besser als man glaubt". Wie sicher ist es in Bochum wirklich? In: Bochum. Von hier aus. Hrsg. von K. Rudolph und D. Rüther. Aschendorf-Verlag, Münster 2021, S. 152 - 162
Thomas Feltes, Francesc Guillen: Seguretat i sentiment de seguretat a Bochum. 40 anys d’estudi de la xifra negra en una gran ciutat alemanya. In: “30 years of the Victimization Survey of the Metropolitan Area of Barcelona”, hrsg. Von Marta Murrià Sangenís u.a., Barcelona 2020, S. 137-152 (Beitrag auf Deutsch)
Thomas Feltes: Die „German Angst“. Woher kommt sie, wohin führt sie? Innere vs. gefühlte Sicherheit. Der Verlust an Vertrauen in Staat und Demokratie. In: Neue Kriminalpolitik 1, 2019, S. 3-12
Thomas Feltes: Sicherheit und Sicherheitsgefühl in Bochum. 40 Jahre Dunkelfeldstudie in einer deutschen Großstadt. In: Bewährungshilfe 2019, S. 267-280
 

Jan-Volker Schwind: Sicherheit und Sicherheitsgefühl in Bochum. Holzkirchen 2018 (Dissertation)